Jeder ist heute Coach oder er sagt es zumindest. Die Berufsbezeichnungen Berater, Coach und Referent sind seit einigen Jahren inflationär. Das entspricht einerseits dem Zeitgeist. Warum? Die Halbwertszeit von Wissen war vermutlich noch nie so kurz wie heute. Darum müssen wir uns auch immer mehr Unterstützung einkaufen. Andererseits haben Trends auch immer die Seite von Mitläufern. Vor Kurzem habe ich mit einem jungen Mann gesprochen, der im letzten Lehrjahr seine Ausbildung abgebrochen hat. Er sagte mir in etwa: „Ich habe keinen Bock mehr auf Lehre. Ich habe jetzt meinen Weg gefunden und setze voll darauf. Und weisst du was, es ist ein ähnlicher Weg wie deiner. Ich werde professioneller Speaker und Coach.“ Auf meine Frage, was denn sein Thema sei, sagte er: „Irgendetwas mit Motivation. Weisst du: Ich bin einfach eine Rampensau. Es fühlt sich einfach toll an, auf der Bühne zu stehen und zu sprechen. Darum mache ich das jetzt hauptberuflich.“ Als ich ihn so sprechen hörte, kam mir ein Gespräch mit einer sehr erfahrenen HR-Dozentin in den Sinn. Ich schätze sie sehr – sie ist seit 20 Jahren eine Koryphäe auf ihrem Gebiet. Als ich sie an einem gemeinsamen Kurstag nach ihrer Präsentation fragte, um ihr den Start in ihren Kursblock zu erleichtern, sagte sie mir: „Ich habe keine Präsentation – ich habe etwas zu sagen.“ Das ist der springende Punkt: Zuerst kommt der Inhalt und dann die Verpackung.
Das ist meine Meinung: Egal ob du schreibst, sprichst oder coachst. Zuerst kommt immer der Inhalt. Erarbeite dir ein Thema, werde gut in etwas. Gehe in die Tiefe. Und zwar mit dem Antrieb, ein Thema verstehen zu wollen. Und wenn du tiefer im Thema drin bist als alle anderen, kannst du daran denken, darüber einen bezahlten Vortrag zu halten. Und erst wenn du in deinem Thema so gut bist, dass dich andere andauernd um deinen Rat fragen, dann kannst du dir überlegen, zu lernen, wie man regelmässig Wissen und Erfahrung weitergibt.
Seit 10 Jahren leidenschaftlich coachende Grüsse
Martin Aue